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Nutzereinfluss auf die Schimmelpilzbildung in Gebäuden unter realitätsnahen Bedingungen

Dipl.-Ing. (FH), Master of Building Physics (M.BP.) Michael Silberhorn

 

Kurzfassung der Arbeit im PDF Format

Langfassung der Arbeit im PDF Format

 

 

1. Einleitung

Seit vielen Jahren beschäftigen sich die deutschen Gerichte mit einer Vielzahl von Streitigkeiten zum Thema Schimmelpilzbildungen in Wohnungen. Dabei bereitet eine Hauptursachengruppe in der Praxis große Beurteilungsprobleme. Gemeint ist damit der gesamte Ursachenkomplex der zu hohen relativen Luftfeuchtigkeiten an Bauteiloberflächen.

Diese zu hohen Luftfeuchten können durch bauliche Ursachen oder durch das Nutzerverhalten verursacht werden, weshalb sich Gerichte häufig mit der Frage befassen müssen, ob bauliche Mängel oder ein fehlerhaftes Nutzerverhalten ursächlich für die Schimmelpilzbildung sind. Die von Sachverständigen in der Praxis vorgenommene Beurteilung ist oft uneinheitlich. Zumeist behilft man sich bei der Bewertung mit einem gewissen Innenraumklima, welches als "regelgerechtes" Nutzerverhalten anzusehen und vom Nutzer (Mieter) sicherzustellen ist. In rechtlicher Hinsicht wäre es jedoch viel interessanter zu wissen, welche Innenklimata / Schimmelpilzrisiken mit "üblichem" oder "zumutbarem" Lüftungs- und Heizungsverhalten erzielbar sind. Denn dieses „übliche“ oder „zumutbare“, also letztlich das mit verhältnismäßigen Mitteln „machbare“, Heizungs- und Lüftungsverhalten ist der Maßstab, an welchem sich der Nutzer einer Wohnung zu messen lassen hat.

 


2. Ziel der Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Schimmelpilzrisiko unter Berücksichtigung realistischer Einflussgrößen wie Belegungsdichte, Lebenssituation, Feuchteemittenten, Dämmstandard, Belüftungssituation und nicht zuletzt dem realen Außenklima unter instationären Bedingungen zu ermitteln.

Durch Zuordnung zu einer der untersuchten Fallkombinationen soll es möglich sein eine erste grobe Einschätzung des Schimmelpilzrisikos im Wohnungsbestand vornehmen zu können. Damit sollen sowohl Wohnungseigentümer und Wohnungsgesellschaften, als auch die beurteilenden Sachverständigen in die Lage versetzt werden, das Risiko und die Wahrscheinlichkeiten von Schimmelpilzbildungen auch bei regelgerechtem Nutzerverhalten sicher einschätzen zu können. Es werden Lösungsansätze aufgezeigt und weitere mögliche Untersuchungen dargestellt.

Die Untersuchung erfolgt am Fraunhofer Institut für Bauphysik in Holzkirchen.

 

3. Untersuchungsrahmen

Mit Hilfe der hygrothermischen Simulation unter Verwendung des Programms WUFI® PLUS [1] wird das, sich unter bestimmten Voraussetzungen einstellende, Innenklima und dessen Auswirkungen auf das Schimmelpilzrisiko untersucht. Das Nutzerverhalten (Lüftungshäufigkeit und –dauer, Beheizung) wird dabei realitätsnah an die untersuchten Lebenssituationen angepasst. So wird ermittelt, welches Innenklima bei einem üblichen und zumutbaren Nutzerverhalten erreichbar ist und wie sich dieses auf das Schimmelpilzrisiko auswirkt.

Es werden 3 Wohnungsgrundrisse unterschiedlicher Größen entworfen. Für jeden dieser Wohnungsgrundrisse werden für 3 verschiedene Baualtersbereiche Wandaufbauten und Wärmebrücken konstruiert, welche für diese Baualtersbereiche typisch sind. Die so entstehenden 9 Kombinationen aus Wohnungsgröße und Baualtersbereich werden nun unter 4 verschiedenen Nutzungsrandbedingungen untersucht, welche die Belegungsdichte und Lebenssituationen abbilden.

Die Ergebnisse, insbesondere die relative Luftfeuchtigkeit und Raumlufttemperatur im Bereich der Wärmebrücken auswirkt, werden mit dem Programm WUFI BIO [2] hinsichtlich des Schimmelpilzrisikos bewertet und klassifiziert. Anschließend werden Szenarien entwickelt, mit welchen Abweichungen von den angenommenen Randbedingungen untersucht werden.

 

4. Ergebnisse

Es zeigt sich, dass das Schimmelpilzrisiko mit zunehmender Belegungsdichte steigt. So ist deutlich erkennbar, dass die Badezimmer bereits ab der Nutzungskategorie 2 (Zwei-Personen Haushalt) kritisch werden und ab der Nutzungskategorie 3 – unter den zugrunde gelegten Lüftungsbedingungen – praktisch nicht mehr funktionieren.

Die Nutzungskategorien 3 und 4 repräsentieren in der kleinen Wohnungsgröße WG 1 eine Überbelegungssituation. Hier tritt das größte Schimmelpilzrisiko auf. Derartig Überbelegte Wohnungen sind auch durch angepasstes Nutzerverhalten hinsichtlich des Schimmelpilzrisikos nicht mehr beherrschbar. Selbst eine deutliche Erhöhung des Wärmedämmwertes durch das Aufbringen einer 120 mm dicken Dämmung kann hier das Schimmelpilzrisiko nicht vollständig verhindern.

Dem Grundluftwechsel der Räume, welcher bei Wohnungen ohne kontrollierte Lüftungsmaßnahmen (Spaltlüftungssysteme, Lüftungsanlagen) nur durch die Undichtigkeiten der Bauteile erreicht wird, kommt eine sehr hohe Bedeutung zu. Eine Erhöhung des Wärmedämmstandards alleine ist häufig nicht ausreichen.

Die Betrachtung der Szenarien zeigt, dass der Standort der Wohnung einen erheblichen Einfluss auf das Schimmelpilzrisiko hat. Außerdem wirken sich Veränderungen in der Luftdichtheit bzw. des ständigen Grundluftwechsels auf das Schimmelpilzrisiko in erheblichem Maß aus. Die Beheizung von Wohnräumen ist von großer Wichtigkeit. Es konnte weiter gezeigt werden, dass auch nachts genutzte Räume tagsüber geheizt und gelüftet werden müssen.

In Badezimmern reicht eine Stoßlüftung alleine grundsätzlich nicht aus. Insgesamt kann eine verbesserte Lüftungssituation meist deutlich mehr zur Schimmelpilzvermeidung beitragen, als eine blose Verbesserung des Wärmedämmstandards.

 

5. Fazit

Schimmelpilzfreiheit ist in den betrachteten Baualtersbereichen mit üblichem Nutzerverhalten bei mittleren und hohen Belegungsdichten der Wohnräume nicht mehr mit Sicherheit vermeidbar. Bei niedrigen Belegungsdichten bzw. verhältnismäßig großzügigen Raumgrößen wird dagegen, entgegen der Kriterien der DIN 4108-2, Schimmelpilzfreiheit in der Regel erreichbar sein. Ob ein „besonderes Nutzerverhalten“, welches geeignet ist, Schimmelpilzbildung zumindest bei mittleren Belegungsdichten zu vermeiden, durch den Nutzer realisierbar ist, ist fraglich.

Entscheidende Bedeutung für die Verringerung bzw. Vermeidung des Schimmelpilzrisikos kommt einem ausreichenden Grundluftwechsel zu. Dieser kann durch Stoßlüftung, wie sie in der gesamten Bau- und Bauschadensfachliteratur geradezu  indoktriniert wird, nicht geleistet werden. Es sind Dauerlüftungssysteme erforderlich, welche für einen ständigen Grundluftwechsel sorgen. Eine Kippstellung der Fenster ist hierfür in der Regel ungeeignet.

Die Problemstellung bei der ausreichenden Lüftung und Beheizung von Wohnräumen zur Schimmelpilzvermeidung sind deutlich komplexer, als dies durch die bisherigen Regelwerke und Fachliteratur dargestellt wird. Insbesondere der Ansatz eines bestimmten Innenraumklimas, welches als regelgerecht zu bezeichnen ist, ist aus bauphysikalischer Sicht kritisch zu sehen. Dieser berücksichtigt nicht in ausreichendem Maß die Bedeutung des Faktors Zeit und Temperatur, also die Zeitdauer des Vorliegens der jeweiligen Temperatur- und Feuchtebedingungen an der Wandoberfläche sowie die verringerten Wachstumsbedingungen mit niedriger werdender Temperatur.

Zur Vermeidung bzw. Verringerung des Schimmelpilzrisikos kommen folgende Maßnahmen – vorzugsweise in der angegebenen Reihenfolge – in Betracht:

Dabei ist den beiden erstgenannten Möglichkeiten der Vorzug zu geben. In der Regel wird eine sinnvolle Lösung immer in der Kombination von Lüftungsmaßnahmen und Wärmedämmmaßnahmen bestehen.

 

Literatur / Software

[1]   „WUFI®PLUS“, Version 2.5.4.17 Test, Fraunhofer Institut für Bauphysik Holzkirchen; Datenbankversion 24/77.

[2]   „WUFI® -Bio“, Version 3.1.2.12, Fraunhofer Institut für Bauphysik Holzkirchen.

[3]   Silberhorn M; „Nutzereinflusses auf die Schimmelpilzbildung in Gebäuden unter realitätsnahen Bedingungen“, Masterarbeit im Masterstudiengang „Bauphysik“, Universität Stuttgart Februar 2015.

 

 

 

   

 

 

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